
Der Faktor 4,5 + X im Bayerischen Kinderbildungsgesetz (BayKiBiG): Ein tiefgehender Einblick in die Förderung integrativer Kindertageseinrichtungen
Die Inklusion von Kindern mit Behinderung oder drohender Behinderung in den Regelbetrieb von Kindertageseinrichtungen ist ein zentrales gesellschaftliches Anliegen und ein wichtiger Pfeiler eines modernen Bildungssystems. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, bedarf es nicht nur eines pädagogischen Willens, sondern auch adäquater finanzieller Rahmenbedingungen. Im Freistaat Bayern spielt hierbei der sogenannte Faktor 4,5 + X eine entscheidende Rolle. Dieser Artikel beleuchtet detailliert die Hintergründe, die Funktionsweise, die Voraussetzungen und die pädagogischen sowie finanziellen Implikationen dieses spezifischen Instruments des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG).
- Grundlagen der Kita-Finanzierung nach dem BayKiBiG
Bevor wir uns dem spezifischen Faktor 4,5 + X zuwenden, ist ein grundlegendes Verständnis der Kita-Finanzierung in Bayern unerlässlich. Das BayKiBiG, Bayerisches Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, bildet die rechtliche und finanzielle Basis. Gemäß Art. 19 BayKiBiG gewährt der Staat den Gemeinden für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz staatliche Fördermittel, die diese an den Träger an die Kindertagesstätte weiterleiten.
Die jährliche kindbezogene Förderung für jede Einrichtung errechnet sich im Wesentlichen aus drei Komponenten:
- Basiswert: Ein staatlich festgelegter Grundbetrag pro Kind und Jahr. Der Basiswert wird jährlich angepasst. Gemäß Art. 21 Abs. 4 Satz 1 BayKiBiG bildet der Basiswert die Grundlage für die Berechnung der kindbezogenen Förderung.
- Buchungszeitfaktor: Dieser Faktor spiegelt die tägliche Betreuungszeit des Kindes wider. Längere Buchungszeiten führen zu einem höheren Faktor und somit zu einer höheren Förderung. Die Staffelung der Buchungszeitfaktoren ist in der Anlage zu Art. 21 Abs. 4 BayKiBiG geregelt.
- Gewichtungsfaktor: Dieser Faktor berücksichtigt besondere Merkmale oder Bedarfe des Kindes, die einen erhöhten Betreuungs- oder Förderaufwand rechtfertigen.
Die Formel lautet also: Basiswert x Buchungszeitfaktor x Gewichtungsfaktor x 2 (staatl. Anteil / komm. Anteil) = Jährliche Förderung pro Kind.
Das BayKiBiG sieht verschiedene Gewichtungsfaktoren vor, um unterschiedlichen Konstellationen gerecht zu werden. So gibt es beispielsweise:
- Den Standard-Gewichtungsfaktor 1,0 für Kinder im Alter von drei Jahren bis zur Einschulung.
- Einen erhöhten Faktor für Krippenkinder (Kinder unter drei Jahren), Faktor 2,0, um dem intensiveren Betreuungsaufwand Rechnung zu tragen.
- Einen erhöhten Faktor von 1,3 für Kinder, deren Eltern nicht-deutscher Herkunft sind
Wenn ein Kind mehrere Kriterien für unterschiedliche Gewichtungsfaktoren erfüllt, wird gemäß Art. 21 Abs. 4 Satz 3 BayKiBiG stets der höchste zutreffende Faktor für die Berechnung der Förderung herangezogen.
- Der Gewichtungsfaktor 4,5: Herzstück für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf
Im Zentrum unserer Betrachtung steht der Gewichtungsfaktor 4,5. Dieser hohe Faktor ist explizit für Kinder mit (drohender) Behinderung und somit erhöhtem Förderbedarf vorgesehen. Art. 21 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 BayKiBiG legt diesen Faktor für Kinder fest, „bei denen ein Anspruch auf Eingliederungshilfe wegen einer Behinderung oder drohenden Behinderung im Sinn von § 99 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) oder wegen einer seelischen Behinderung oder drohenden seelischen Behinderung im Sinn von § 35a des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) durch Bescheid festgestellt ist.“
Definition von (drohender) Behinderung im Kontext des BayKiBiG: Die Anwendung des Faktors 4,5 (+ X) setzt eine (drohende) Behinderung des Kindes voraus. Die Definition hierfür liefert primär das Sozialgesetzbuch. Gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX liegt eine Behinderung vor, wenn „ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.“ Eine drohende Behinderung liegt vor, wenn eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Die Feststellung erfolgt durch den zuständigen Träger der Eingliederungshilfe.
Die wesentlichen Merkmale dieses Faktors sind:
- Altersunabhängigkeit: Er gilt für Kinder in Krippe, Kindergarten und Hort gleichermaßen, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.
- Nachweis erforderlich: Grundlage ist ein festgestellter Anspruch auf Eingliederungshilfe, dokumentiert durch einen entsprechenden Eingliederungshilfebescheid des zuständigen Sozialhilfeträgers (Bezirk oder Landratsamt als Träger der Eingliederungshilfe).
- Leistungsvereinbarung mit dem Leistungserbringer: Der Träger der Kindertageseinrichtung muss eine gültige Leistungs- und Entgeltvereinbarung mit dem zuständigen Leistungserbringer (Bezirk oder Landratsamt) abgeschlossen haben, um die spezifischen Leistungen der Eingliederungshilfe für das Kind erbringen und abrechnen zu können.
- Das „+ X“: Bedarfsgerechte Flexibilisierung des Faktors 4,5
Das BayKiBiG bietet eine wichtige Flexibilisierungsmöglichkeit: Gemäß Art. 21 Abs. 5 Satz 1 BayKiBiG kann „bei integrativen Kindertageseinrichtungen (Art. 2 Abs. 3) zur Finanzierung des höheren Personalbedarfs im Einvernehmen mit der Gemeinde von dem Gewichtungsfaktor 4,5 nach Absatz 4 Satz 2 Nr. 3 abgewichen werden.“ Diese Abweichungsmöglichkeit ist das, was als „+ X“ bezeichnet wird.
Das bedeutet, dass der Gewichtungsfaktor 4,5 in integrativen Einrichtungen, nach Zustimmung der zuständigen Gemeinde und des Trägers, über den Wert von 4,5 hinaus erhöht werden kann, um den spezifischen, oft höheren Personalaufwand für die Betreuung und Förderung der Kinder mit Behinderung adäquat abzubilden. Dieses „X“ ist also ein variabler Zusatz, der individuell festgelegt wird.
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- Der Beantragungsprozess für den erhöhten Förderbedarf: Ein strukturierter Weg
Die Geltendmachung des erhöhten Förderbedarfs und somit des Gewichtungsfaktors 4,5 (+ X) folgt einem klar strukturierten Prozess, der ein koordiniertes Vorgehen von Eltern, Kindertageseinrichtung und Sozialhilfeträger erfordert:
- Schritt 1: Schaffung der institutionellen Grundlagen:
- Der Träger der Kindertageseinrichtung muss über eine gültige Leistungs- und Entgeltvereinbarung mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe (Bezirk/Landratsamt) verfügen. Diese Vereinbarung regelt Art, Umfang und Vergütung der zu erbringenden Eingliederungshilfeleistungen.
- Ein heilpädagogischer Fachdienst sollte der Einrichtung zur Verfügung stehen, um den Prozess fachlich zu begleiten und die pädagogischen Fachkräfte zu unterstützen.
- Schritt 2: Beobachtung und Identifizierung eines Bedarfs:
- Die pädagogischen Fachkräfte in der Einrichtung beobachten die Entwicklung der Kinder aufmerksam. Stellen sie bei einem Kind Anzeichen für einen zusätzlichen Betreuungs- und Förderbedarf fest, der auf eine (drohende) Behinderung hindeuten könnte, wird dies dokumentiert.
- Schritt 3: Information und Antragstellung durch die Eltern:
- Die Eltern werden über die Beobachtungen und die Möglichkeit der Beantragung von Eingliederungshilfe informiert.
- Die Eltern stellen daraufhin einen formellen Antrag auf Eingliederungshilfe beim zuständigen Träger der Sozialhilfe. Die rechtlichen Grundlagen sind hier, wie bereits erwähnt, § 99 SGB IX (Leistungen zur Teilhabe an Bildung für Kinder mit körperlicher oder geistiger Behinderung) oder § 35a SGB VIII (für Kinder mit seelischer Behinderung).
- Schritt 4: Prüfung durch den Träger der Sozialhilfe:
- Der Sozialhilfeträger prüft den Antrag sorgfältig. Dies beinhaltet in der Regel eine medizinische und/oder psychologische Begutachtung, um festzustellen, ob tatsächlich eine (drohende) Behinderung im Sinne der gesetzlichen Definitionen vorliegt und ob ein entsprechender Eingliederungsbedarf besteht.
- Schritt 5: Erlass des Bewilligungsbescheids:
- Fällt die Prüfung positiv aus, erhalten die Eltern einen Bewilligungsbescheid. Dieser Bescheid bestätigt den Anspruch des Kindes auf Eingliederungshilfe und spezifiziert Art und Umfang der bewilligten Maßnahmen, die oft die Förderung in einer integrativen Kindertageseinrichtung umfassen.
- Schritt 6: Weitergabe des Bescheids an die Einrichtung:
- Die Eltern legen der Kindertageseinrichtung eine Kopie des Bewilligungsbescheids vor. Damit ist der Nachweis für den anerkannten erhöhten Förderbedarf erbracht, und die Einrichtung kann den Gewichtungsfaktor 4,5 (bzw. nach Abstimmung 4,5 + X) für das Kind bei der Förderabrechnung über KiBiG.web geltend machen.
- Ziel des Faktors 4,5 + X: Zusätzliches Personal für qualitative Inklusion
Der Kernzweck des Faktors 4,5 + X ist die Finanzierung des objektiv höheren Personalbedarfs, der mit der Betreuung und Förderung von Kindern mit Behinderung oder drohender Behinderung einhergeht. Es geht nicht darum, die reguläre Personalausstattung der Einrichtung aufzubessern, sondern spezifische, zusätzliche personelle Ressourcen zu schaffen, die eine intensive, individuelle und bedarfsgerechte Förderung ermöglichen.
- Personalausstattung in Kitas und die Rolle des Faktors 4,5 + X
Eine typische Kindertageseinrichtung verfügt über ein Team aus:
- Pädagogischen Fachkräften (Erzieherinnen und Erzieher mit entsprechender Qualifikation)
- Pädagogischen Ergänzungskräften (z.B. Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger)
- Gegebenenfalls pädagogischen Hilfskräften oder Assistenzkräften
- FSJlern (Personen im Freiwilligen Sozialen Jahr)
- Leitungskräften, Verwaltungspersonal, Hauswirtschafts- und Reinigungskräften.
Die Kosten für dieses Regelpersonal werden, wie oben dargelegt, durch die kindbezogene Förderung (basierend auf Basiswert, Buchungszeitfaktor und dem jeweiligen Gewichtungsfaktor für „Regelkinder“ oder Kinder mit geringerem Zusatzbedarf), Elternbeiträge und ggf. Eigenmittel des Trägers oder kommunale Zuschüsse gedeckt.
Der Faktor 4,5 + X ermöglicht es nun, Zusatzkräfte „on top“ zu finanzieren. Dies ist in der Regel ab einer Anzahl von drei Integrationskindern in einer Einrichtung möglich. Diese zusätzlichen Fach- oder Ergänzungskräfte widmen sich gezielt der integrativen Arbeit, der Erstellung und Umsetzung von Förderplänen und der intensiven Begleitung der Kinder mit besonderem Bedarf. Ein wesentlicher Anreiz ist, dass Träger für diese Zusatzkräfte bis zu 80% der tatsächlichen Gehaltskosten (Arbeitgeber-Brutto) erstattet bekommen können. Kommunale Träger erhalten immerhin noch 40 % der tatsächlichen Gehaltskosten.
- Bemessung der Zusatzstunden: Zwischen individuellem Bedarf und Empfehlungen
Der Umfang der zusätzlich finanzierbaren Personalstunden (der Stellenanteil der Integrationskraft) hängt primär vom individuellen Bedarf der zu betreuenden Kinder ab. Liegt keine spezifische, individuelle Bedarfsbegründung vor, die einen höheren oder niedrigeren Stellenanteil rechtfertigt, kann man sich an der Empfehlung des StMAS orientieren. Bei einer durchschnittlichen täglichen Betreuungszeit von 6 Stunden können folgende Werte ohne weitere Begründung angesetzt werden:
- Bei 3 Integrationskindern: Empfehlung für eine Integrationskraft mit z.B. 0,6 Stellenanteil (entspricht 60% einer Vollzeitstelle).
- Bei 4 Integrationskindern: Empfehlung für eine Integrationskraft mit z.B. 0,8 Stellenanteil.
- Bei 5 Integrationskindern: Empfehlung für eine Integrationskraft mit z.B. 1,0 Stellenanteil (Vollzeitstelle).
Die Einrichtung (der Träger) muss zwar den konkreten Bedarf nicht unmittelbar nachweisen, aber zumindest die Kalkulation, sprich die Zugrundeliegenden Gehaltskosten, des „+ X“ gegenüber der Gemeinde und im Falle einer Belegprüfung darlegen.
- Voraussetzungen für die Anwendung des Faktors 4,5 + X
Um den Faktor 4,5 + X nutzen zu können, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:
- Status als integrative Einrichtung: Die Einrichtung muss gemäß Art. 2 Abs. 3 BayKiBiG als integrative Kindertageseinrichtung gelten. Dort heißt es: „Integrative Kindertageseinrichtungen sind alle unter Abs. 1 genannten Einrichtungen, die von bis zu einem Drittel, mindestens aber von drei Kindern mit Behinderung oder von Behinderung bedrohten Kindern besucht werden.“
- Mindestanzahl von Integrationskindern: Die Einstellung einer zusätzlichen Fachkraft und somit die Nutzung des Faktors 4,5 + X ab drei Kindern mit einer (drohenden) Behinderung möglich.
- Ausrichtung der Gruppengröße: Die Gruppengröße sollte dem therapeutischen und pädagogischen Bedarf der Kinder angepasst sein, um die gesetzlichen Rahmenbedingungen (z.B. Erstellung individueller Förderpläne, Einhaltung der Leistungsvereinbarung) gewährleisten zu können.
- Stabilität bei Schwankungen: Reduziert sich die Zahl der Kinder mit Behinderung während des laufenden Bewilligungsjahrs auf unter drei, bleibt dies bis zum Ende des Bewilligungsjahrs bei der Berechnung des X-Faktors zunächst unberücksichtigt, um Planungssicherheit zu gewährleisten. Mit Beginn des neuen Bewilligungsjahres kann der X-Faktor dann erst wieder in dem Monat angesetzt werden, in dem mindestens drei Integrationskinder betreut werden.
- Einhaltung der Mindeststandards: Die Mindeststandards des BayKiBiG hinsichtlich des allgemeinen Anstellungsschlüssels und der Fachkraftquote dürfen durch die Nutzung des Faktors 4,5 + X nicht unterlaufen werden. Der reguläre Anstellungsschlüssel der Einrichtung muss im Bewilligungsjahr einen bestimmten Wert (besser als 11,00) aufweisen, und die Fachkraftquote muss über einem definierten Schwellenwert (über 50,01%) liegen.
- Keine Einrechnung in den Regelschlüssel: Wichtig ist, dass die über den X-Faktor finanzierten Zusatzstunden nicht in den regulären Anstellungsschlüssel der Einrichtung eingerechnet werden dürfen . Sie dienen explizit der zusätzlichen Förderung.
- Zustimmung der Gemeinde: Wie in Art. 21 Abs. 5 Satz 1 BayKiBiG festgelegt, ist das Einvernehmen mit der Gemeinde zur Abweichung vom Faktor 4,5 (also zur Nutzung des „+ X“) notwendig.
- Vorliegen der Eingliederungshilfebescheide: Für alle Kinder, die bei der Berechnung des Faktors 4,5 + X berücksichtigt werden sollen, muss ein gültiger Eingliederungshilfebescheid vorliegen.
- Die Finanzierung konkret: Eine Beispielrechnung für den Faktor 4,5 + X
Die Berechnung des individuellen „+ X“-Wertes kann komplex erscheinen, wird aber durch das Online-System KiBiG.web (Module „Antrag auf Abschlag“ bzw. „Endabrechnung„) automatisiert. Das Grundprinzip lässt sich jedoch erläutern:
- Ausgangspunkt: Das jährliche Arbeitgeber-Brutto der zusätzlichen Integrationsfachkraft (oder der anteiligen Stunden an der Stelle). Beispiel: 57.006,30 €.
- Ansatz für die Berechnung: Von diesem Arbeitgeber-Brutto werden 80 % für die Berechnung des X-Wertes angesetzt (im Beispiel: 0,80 * 57.006,30 € = 45.605,04 €).
- Verrechnung mit Basiswert: Dieser Betrag wird durch den aktuellen Basiswert des BayKiBiG geteilt (z.B. 1.521,39 €). (45.605,04 € / 1.521,39 € = 29,97).
- Division durch Summe der Buchungszeitfaktoren: Das Ergebnis wird durch die Summe der Buchungszeitfaktoren aller betreuten Integrationskinder geteilt. (Angenommen 5 Kinder mit Buchungszeitfaktor 1,5: Summe = 7,5. Dann 29,97 / 7,5 = 3,996).
- Halbierung des Wertes: Dieses Ergebnis wird nochmals durch 2 geteilt, da die Förderung je hälftig vom Freistaat und der Kommune getragen wird (3,996 / 2 = 1,998, gerundet z.B. 1,99).
- Erhöhungswert („X“): Dieser Wert (hier 1,99) ist das „X“, das zum Faktor 4,5 addiert wird. Der neue, individuelle Gewichtungsfaktor für diese Kinder in dieser Einrichtung wäre also 4,5 + 1,99 = 6,49.
Finanzielle Auswirkungen: Für die Kommune bedeutet dies, dass sie von den angesetzten Personalkosten der Zusatzkraft (im Beispiel 57.006,30 €) einen erheblichen Teil (ca. 22.802,40 €, entsprechend ihrem hälftigen Anteil am Erhöhungswert) vom Freistaat über die erhöhte kindbezogene Förderung erstattet bekommt. Freie Träger profitieren noch stärker, da ihnen bis zu 80% der tatsächlichen Personalkosten der Zusatzkraft (im Beispiel 45.605,04 €) refinanziert werden. Die verbleibenden 20% (bzw. 60% bei kommunalen Trägern) müssen durch andere Einnahmen (z.B. kommunale Zuschüsse, Elternbeiträge für den Regelplatz) oder Eigenmittel gedeckt werden. Verglichen mit anderen Förderinstrumenten wie dem Personalbonus oder der Assistenzkraftförderung generiert der Faktor 4,5 + X oft erheblich höhere zusätzliche Fördereinnahmen für qualifiziertes Personal.
- Pädagogische Potenziale des Faktors 4,5 + X – Mehr als nur Finanzierung
Die Anwendung des Faktors 4,5 + X geht weit über rein finanzielle Aspekte hinaus und entfaltet erhebliche pädagogische Vorteile:
- Individuelle und intensive Förderung: Zusätzliches Personal ermöglicht es, auf die spezifischen Bedürfnisse, Stärken und Herausforderungen jedes einzelnen Kindes mit Behinderung oder drohender Behinderung sehr viel gezielter einzugehen. Individuelle Förderpläne können intensiver umgesetzt werden.
- Stärkung der Inklusion: Der Faktor unterstützt aktiv die inklusive Pädagogik. Er schafft Rahmenbedingungen, unter denen die gemeinsame Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung gelingen kann. Dies fördert die soziale Entwicklung aller Kinder und leistet einen Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe.
- Steigerung der pädagogischen Qualität: Ein verbesserter Personalschlüssel, ermöglicht durch den Faktor 4,5 + X, führt zu einer Entlastung des gesamten Teams und gibt den Fachkräften mehr Zeit für Beobachtung, Dokumentation, Elterngespräche und die gezielte Planung und Durchführung von Fördermaßnahmen.
- Flexibilität und bedarfsgerechte Anpassung: Das „+ X“ Element erlaubt eine flexible Anpassung der Ressourcen an die konkreten Erfordernisse der betreuten Kinder und die spezifische Situation in der Einrichtung.
- Die Rolle der Kommunen: Zwischen Zustimmungspflicht und pauschaler Ablehnung
Da die Gemeinde der Nutzung des „+ X“ zustimmen muss (Art. 21 Abs. 5 Satz 1 BayKiBiG), kommt ihr eine Schlüsselrolle zu. Es gab in der Vergangenheit Diskussionen darüber, ob Kommunen aus Kostengründen die Zustimmung pauschal verweigern könnten. Hierzu ist festzuhalten: Die kommunalen Spitzenverbände (Bayerischer Städtetag, Bayerischer Gemeindetag, Bayerischer Landkreistag), die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Bayern sowie das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen haben in einer gemeinsamen Empfehlung Einigung über die grundsätzliche Gewährung des Faktors 4,5 + X erzielt, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Empfehlung unterstreicht die Bedeutung des Instruments.
Argumente gegen eine pauschale Ablehnung durch Kommunen:
- Pädagogische Notwendigkeit: Für viele Kinder mit Behinderung ist der zusätzliche Personaleinsatz in einer integrativen Regeleinrichtung die einzige Möglichkeit, eine wohnortnahe Betreuung zu erhalten und nicht täglich mittels Bustransport in eine oft weiter entfernte heilpädagogische Einrichtung gebracht werden zu müssen.
- Finanzielle Vorteile auch für Kommunen: Wie dargelegt, refinanziert der Freistaat einen erheblichen Teil der über den X-Faktor angesetzten Personalkosten. Insbesondere Kommunen mit eigener Trägerschaft oder solche, die Defizitverträge mit freien Trägern haben, sind gut beraten, genau zu prüfen, ob sie durch die Nutzung des Faktors 4,5 + X nicht eine qualitativ hochwertige Personalausstattung dauerhaft und ohne erhebliche zusätzliche Defizite finanzieren können.
Eine Einzelfallprüfung und die Gewährung des Faktors 4,5 + X bei Erfüllung der Voraussetzungen sind daher der empfohlene Weg.
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