
KiTa-Feste: Ein Leitfaden zu Aufsichtspflicht und Haftung
KiTa-Feste sind ein Höhepunkt im Jahreskalender – für Kinder, Eltern und das pädagogische Personal gleichermaßen. Sie fördern die Gemeinschaft, bieten Raum für fröhliches Beisammensein und schaffen unvergessliche Erinnerungen. Doch inmitten von Spiel, Spaß und Kuchenbuffet lauern auch rechtliche Fallstricke, insbesondere wenn es um die Fragen der Aufsichtspflicht und Haftung geht. Wer ist verantwortlich, wenn ein Kind sich verletzt oder etwas beschädigt wird?
- Die Grundlagen: Was bedeutet Aufsichtspflicht überhaupt?
Bevor wir uns den Besonderheiten von KiTa-Festen widmen, ist ein grundlegendes Verständnis der Aufsichtspflicht unerlässlich.
- Gesetzliche Verankerung: Die Aufsichtspflicht ist primär im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Sie ist Teil der Personensorge, die gemäß § 1631 Abs. 1 BGB den Eltern obliegt. Dies bedeutet, dass Eltern grundsätzlich die Pflicht haben, ihre Kinder zu beaufsichtigen, um sie vor Schäden zu bewahren und zu verhindern, dass sie anderen Schaden zufügen.
- Übertragung der Aufsichtspflicht: Mit dem Abschluss eines Betreuungsvertrages zwischen den Eltern und dem Träger der Kindertageseinrichtung wird die Aufsichtspflicht für die vereinbarte Betreuungszeit mit Übergabe des Kindes auf das pädagogische Personal der KiTa übertragen.
- Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht: Eine gesetzliche Regelung, wie und in welchem genauen Maße Kinder zu beaufsichtigen sind, gibt es nicht. Die Intensität der Aufsichtspflicht richtet sich nach verschiedenen Faktoren , :
- Alter und Entwicklungsstand des Kindes: Jüngere Kinder und Kinder mit besonderen Bedürfnissen benötigen eine intensivere Aufsicht als ältere, selbstständigere Kinder.
- Charakter und bisheriges Verhalten des Kindes: Ein bekannt ungestümes oder risikofreudiges Kind erfordert mehr Aufmerksamkeit.
- Die konkrete Situation und Umgebung: Auf einem unübersichtlichen Außengelände mit Klettergerüsten ist eine andere Aufsicht geboten als in einem Gruppenraum während einer ruhigen Bastelstunde.
- Die Art der Beschäftigung: Gefährlichere Aktivitäten (z.B. Werken mit Werkzeug) erfordern engmaschigere Aufsicht.
- Gruppengröße und personelle Ausstattung.
- Aufsichtspflicht bei KiTa-Festen: Wer ist wann zuständig?
KiTa-Feste stellen eine Sondersituation dar, da hier oft Kinder, Eltern und Personal gleichzeitig anwesend sind. Die klare Zuweisung der Aufsichtspflicht ist hier entscheidend.
- Szenario 1: Eltern nehmen gemeinsam mit ihren KiTa-Kindern am Fest teil
In der Regel liegt die Aufsichtspflicht bei den Eltern, sobald sie auf dem Fest anwesend sind und ihre Kinder begleiten . Die vertraglich auf die KiTa übertragene Aufsichtspflicht bezieht sich auf die regulären Betreuungszeiten und -situationen. Ein gemeinsames Fest mit den Eltern fällt typischerweise nicht darunter. Das bedeutet, die Eltern sind für das Wohl und Wehe ihrer Kinder selbst verantwortlich. Die KiTa-Fachkräfte haben in diesem Fall primär eine Gastgeberrolle und organisieren das Fest, sind aber nicht die primär Aufsichtspflichtigen für die von ihren Eltern begleiteten Kinder. - Szenario 2: KiTa-Angebote ohne Eltern (z.B. Aufführung, gemeinsames Spiel)
Anders sieht es aus, wenn die KiTa während des Festes spezifische Angebote nur für die Kinder organisiert, bei denen die Eltern nicht unmittelbar beteiligt sind (z.B. eine einstudierte Aufführung auf einer Bühne, ein angeleitetes Gruppenspiel in einem separaten Bereich).- Einen Elternbrief oder Aushang im Vorfeld des Festes.
- Eine klare Ansage durch das Personal vor und nach dem Angebot.
- Eine deutliche räumliche Trennung des Angebotsbereichs.
- Vorübergehender Übergang der Aufsichtspflicht:
Für die Dauer dieses spezifischen Angebots, bei dem die Kinder explizit in die Obhut des pädagogischen Personals gegeben werden, geht die Aufsichtspflicht auf das Personal über. - Klare Kommunikation ist entscheidend:
Es muss sowohl vor Beginn als auch nach Beendigung des Angebots unmissverständlich und klar kommuniziert werden, wann die Aufsichtspflicht beim Personal liegt und wann sie wieder zu den Eltern zurückwechselt. Dies kann geschehen durch: - Beispiel:
„Liebe Eltern, für die nächste halbe Stunde proben wir mit den Kindern das Lied für die Aufführung im Bewegungsraum. Während dieser Zeit übernehmen wir die Aufsicht. Bitte holen Sie Ihre Kinder danach wieder hier ab, dann liegt die Aufsicht wieder bei Ihnen.“
- Szenario 3: Geschwisterkinder auf dem KiTa-Fest
Häufig bringen Eltern auch Geschwisterkinder mit zu KiTa-Festen, die selbst nicht in der Einrichtung betreut werden.- Aufsichtspflicht liegt immer bei den Eltern:
Für Kinder ohne Betreuungsvertrag mit der KiTa liegt die Aufsichtspflicht ausnahmslos und zu jeder Zeit bei den begleitenden Eltern oder sorgeberechtigten Personen. - Teilnahme an KiTa-Aktivitäten:
Auch wenn ein Geschwisterkind spontan an einer Aktivität teilnimmt, die von der KiTa auf dem Fest angeboten wird (z.B. Kinderschminken, Bastelstand), verbleibt die Aufsichtspflicht bei den Eltern. Das Personal kennt diese Kinder nicht, kann ihren Entwicklungsstand und ihr Verhalten nicht einschätzen. Es ist daher ratsam, dass die Eltern während solcher Aktivitäten in der Nähe bleiben und ihre Kinder im Auge behalten. - Deutliche Kommunikation:
Auch hier ist es wichtig, dies den Eltern klar zu kommunizieren, um Missverständnisse zu vermeiden.
- Aufsichtspflicht liegt immer bei den Eltern:
- Szenario 4: Ältere Geschwisterkinder toben unbeaufsichtigt und gefährden andere
Es kann vorkommen, dass ältere Geschwisterkinder das KiTa-Gelände als reinen Spielplatz ansehen und durch ungestümes Verhalten (z.B. wildes Rennen, unsachgemäße Nutzung von Spielgeräten) jüngere KiTa-Kinder gefährden.- Eingriffsrecht und -pflicht des Personals:
Hier darf und muss das KiTa-Personal regelnd eingreifen. Dies geschieht im Rahmen des Hausrechts des Trägers und der allgemeinen Pflicht, für die Sicherheit auf dem Gelände zu sorgen. - Vorgehen:
– Die betreffenden Kinder ruhig, aber bestimmt ansprechen und auf die Regeln bzw. die Gefährdung hinweisen.
– Die Eltern der betreffenden Kinder freundlich, aber klar an ihre Aufsichtspflicht für alle von ihnen mitgebrachten Kinder erinnern.
- Eingriffsrecht und -pflicht des Personals:
- Szenario 5: Eltern kommen ihrer Aufsichtspflicht nicht nach
Was tun, wenn offensichtlich ist, dass Eltern ihre Kinder auf dem Fest vernachlässigen und dadurch gefährliche Situationen entstehen?- Präventive Kommunikation:
- Ein gut sichtbares Plakat am Eingang oder ein Hinweis in der Einladung, dass die Aufsichtspflicht bei den Eltern liegt .
- Eine kurze Erwähnung in der Eröffnungsansprache.
- Direktes Eingreifen bei Gefahr: Wenn Kinder beispielsweise über Holzstapel klettern oder andere gefährliche Dinge tun, muss das Personal immer eingreifen, auch wenn die Eltern anwesend (aber unaufmerksam) sind. Die allgemeinen KiTa-Regeln und Sicherheitsaspekte gelten auch auf Festen.
- Eltern ansprechen: Die betreffenden Eltern sollten freundlich, aber bestimmt auf die Situation und ihre Verantwortung hingewiesen werden.
- Ultima Ratio – Hausrecht: Wenn alle Hinweise und Bitten nicht fruchten und weiterhin eine Gefährdung oder erhebliche Störung vom Kind bzw. den Eltern ausgeht, kann die KiTa-Leitung als Vertreter des Trägers vom Hausrecht Gebrauch machen und die Familie bitten, das Fest zu verlassen.
- Präventive Kommunikation:
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- Haftungsfragen: Wer zahlt, wenn etwas passiert?
Schäden können leider auch auf dem fröhlichsten Fest passieren. Die Haftungsfrage ist oft komplex und hängt von den Umständen des Einzelfalls, dem Alter des Kindes und der Frage der Aufsichtspflichtverletzung ab.
- Deliktsfähigkeit von Kindern: Entscheidend für die Haftung von Kindern selbst ist ihre Deliktsfähigkeit. Gemäß § 828 BGB:
- Kinder unter 7 Jahren sind nicht deliktsfähig und haften somit nie für von ihnen verursachte Schäden.
- Kinder zwischen 7 und 18 Jahren sind bedingt deliktsfähig. Sie haften, wenn sie bei Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hatten. Bei Kindern zwischen 7 und 10 Jahren gibt es im Straßenverkehr eine spezielle Haftungserleichterung.
- Ab 18 Jahren ist man voll deliktsfähig.
- Haftung der Aufsichtspflichtigen (§ 832 BGB):
Wer kraft Gesetzes (Eltern) oder Vertrags (KiTa-Personal) zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Aufsichtspflichtige seiner Aufsichtspflicht genügt hat oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden wäre. Dies ist die sogenannte Exkulpationsmöglichkeit (Entlastungsbeweis). - Szenario A: Kind beschädigt Eigentum der KiTa
- Das Kind ist bedingt deliktsfähig und muss grundsätzlich selbst für den Schaden aufkommen, wenn es die notwendige Einsichtsfähigkeit besaß.
- Haben die Eltern eine private Haftpflichtversicherung, deckt diese den Schaden in der Regel ab (sofern Deliktsunfähige Kinder mitversichert sind oder die Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt haben).
- Alternativ kann der KiTa-Träger Schadenersatz von den Eltern verlangen, wenn diesen eine Aufsichtspflichtverletzung nachgewiesen werden kann (da die Aufsichtspflicht bei den Eltern lag).
- Das Kind ist nicht deliktsfähig (§ 828 BGB). Es haftet nicht.
- Der Träger kann sich an die Eltern wenden. Deren private Haftpflichtversicherung haftet jedoch nur, wenn den Eltern eine Aufsichtspflichtverletzung nachgewiesen werden kann. Da die Eltern auf dem Fest anwesend waren, lag die Aufsicht bei ihnen.
- Hätte sich der Vorfall während eines expliziten KiTa-Angebots ohne Eltern ereignet (Aufsicht beim Personal), müsste der Träger prüfen, ob sein Personal die Aufsichtspflicht verletzt hat. Bei schuldhafter Verletzung könnte die Betriebshaftpflichtversicherung des Trägers eintreten.
- Fall 1: Ein 10-jähriges Geschwisterkind wirft einen Stein gegen eine Scheibe.
- Fall 2: Ein 4-jähriges KiTa-Kind wirft den Stein.
- Szenario B: Kind beschädigt Eigentum anderer Eltern
Die KiTa ist hier in der Regel nicht direkt involviert und haftet nicht für den Schaden, da die Aufsichtspflicht meist bei den Eltern des schädigenden Kindes lag (oder bei den Eltern des geschädigten Kindes, wenn dieses z.B. unachtsam war). - Die Klärung erfolgt direkt zwischen den betroffenen Eltern.
- Das KiTa-Personal kann hier allenfalls deeskalierend wirken und auf die private Haftpflichtversicherung der Eltern des schädigenden Kindes hinweisen.
- Szenario C: Kind entfernt sich unbemerkt vom KiTa-Gelände und verursacht einen Schaden
- Da die Aufsichtspflicht auf Festen bei Anwesenheit der Eltern in der Regel bei diesen liegt, müssen die Eltern für den Schaden haften, wenn ihnen eine Aufsichtspflichtverletzung nachzuweisen ist.
- Szenario D: Mitarbeiterin beschädigt versehentlich Eigentum von Eltern während des Festes
(Beispiel: Eine Erzieherin hilft beim Tragen von Kuchen und lässt dabei die Kuchenplatte auf die Handtasche einer Mutter fallen.) - Da die Fachkraft im Dienst handelt und der Vorfall im Rahmen ihrer Tätigkeit für die KiTa geschieht, haftet in der Regel die Betriebshaftpflichtversicherung des Trägers.
- Die wichtige Rolle der Verkehrssicherungspflicht des Trägers
Unabhängig von der konkreten Aufsichtspflicht für einzelne Kinder hat der Träger einer Kindertageseinrichtung immer eine Verkehrssicherungspflicht. Diese Pflicht bedeutet, dass der Träger dafür sorgen muss, dass von dem KiTa-Gelände und den darauf befindlichen Einrichtungen und Spielgeräten keine vermeidbaren Gefahren für Kinder, Eltern und Personal ausgehen. Diese Pflicht umfasst beispielsweise:
- Regelmäßige Überprüfung und Wartung von Spielgeräten.
- Sicherung von Gefahrenstellen (z.B. Teiche, Baustellenbereiche).
- Beseitigung von Stolperfallen.
- Sicherstellung, dass Ausgänge und Tore funktionsfähig sind.
Auch während eines KiTa-Festes muss der Träger dieser Pflicht nachkommen. Liegt ein Schaden ursächlich in der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, kann der Träger auch dann haften, wenn die Aufsichtspflicht im Moment des Schadens bei den Eltern lag.
- Präventive Maßnahmen: Kommunikation und klare Regeln
Um Missverständnisse und Probleme bei KiTa-Festen zu minimieren, sind präventive Maßnahmen unerlässlich:
- Klare Kommunikation im Vorfeld: Informieren Sie die Eltern rechtzeitig und unmissverständlich (z.B. per Elternbrief, Aushang, auf einem Elternabend) über die geltenden Regeln zur Aufsichtspflicht während des Festes .
- Hinweise auf dem Fest: Ein gut sichtbares Plakat am Eingang kann nochmals auf die elterliche Aufsichtspflicht hinweisen.
- Eröffnungsansprache: Nutzen Sie die Begrüßung, um kurz die wichtigsten Punkte zur Aufsicht anzusprechen.
- Deutliche Abgrenzung von Angeboten: Wenn die KiTa Angebote macht, bei denen sie die Aufsicht übernimmt, muss dies klar kommuniziert und zeitlich sowie räumlich abgegrenzt werden.
- Hausordnung und Regeln: Machen Sie deutlich, dass die allgemeinen KiTa-Regeln (z.B. kein Klettern auf Mobiliar) auch während der Feste gelten.
- Personal schulen: Das pädagogische Personal sollte über die Regelungen zur Aufsichtspflicht und das richtige Vorgehen in kritischen Situationen geschult sein.
- Fazit: Freude am Feiern mit klaren Verantwortlichkeiten
KiTa-Feste sind wertvolle Ereignisse, die das Gemeinschaftsgefühl stärken. Damit die Freude ungetrübt bleibt, ist ein klares Verständnis der Verantwortlichkeiten im Bereich Aufsichtspflicht und Haftung für alle Beteiligten – Träger, Personal und Eltern – unerlässlich. Offene Kommunikation, klare Regeln und ein Bewusstsein für die jeweiligen Pflichten helfen, Risiken zu minimieren und sicherzustellen, dass das Fest für alle zu einem positiven Erlebnis wird. Im Zweifel ist es immer ratsam, sich rechtlich beraten zu lassen, um für die spezifische Situation der eigenen Einrichtung die bestmöglichen Vorkehrungen zu treffen.
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